15 Januar 2006

Menschen & Wohnen

Menschen

Die Menschen hier in Addis auf der Strasse sind wirklich unheimlich nett. Sie sind unglaublich gastfreundlich, freuen sich riesig, wenn man auf Amharisch Guten Tag oder Danke sagen kann. Aber klar wird man als Weißnase (Oder wie die Äthiopier uns nennen: Ferenji) hier immer und überall angesprochen und bevorzugt. Die Strassen sind relativ sauber und immer voll mit Menschen. Kleine Händler mit Bauchläden, Schuhputzer, Businessleute im Anzug und gesprächige Taxifahrer prägen das Bild. Das Leben spielt sich auf den Strassen ab! Und das Wunderbarste: Streng gläubige Muslime, orthodoxe und katholische Christen leben hier in Harmonie ihren gemeinsamen Alltag. Moscheen und Kirchen sind nur wenige Meter auseinander und hier hat keiner auch nur das geringste Problem damit. Verschiedene Religionen leben glücklich miteinander: Das geht!

Aber man begegnet in den Strassen auch immer extremer Armut. Oft wird man angebettelt von zum Teil katastrophalen Fällen. Lebrahkranke Menschen, die keine Beine mehr haben kriechen auf ihren Händen über die Strasse und bitten um Geld. Doch die wahre Armut sieht man nicht, die spielt sich hinter den Kulissen versteckt in den Hinterhöfen und Slums ab.

Eine Geschichte von heute:

Heute Vormittag habe ich zum ersten Mal persönlich HIV Positive bei denen AIDS ausgebrochen ist getroffen. Zur Bewusstseinsbildung habe ich heute mit einem DED-Kollegen der in der HIV/AIDS Prävention arbeitet eine äthiopische Organisation besucht. Diese Organisation versorgt AIDS Kranke mit antiretroviralen Medikamenten und pflegt sie von Zeit zu Zeit in ihrem Zuhause. Dieses Zuhause ist meist nur eine Lehm-/Bambushütte notdürftig mit Wellblech abgedeckt in einem der Slums. Diese Hütten kollabieren leider sehr häufig während der Regenzeit und werden weggespült.

Eine der Mitarbeiterinnen der Organisationen besuchte mit uns zwei ihrer Patienten. Dabei handelte es sich ganz und gar nicht um die schlimmsten Fälle. Trotzdem waren dies bleibende Eindrücke an die ich mich sicher mein Leben lang erinnern werde. Das Wundervolle bei der zweiten Patientin war, dass sie aufgrund der Behandlung mit Medikamenten dem Tod von der Schippe springen konnte. Diese Frau die mit ihrer 11jährigen Tochter in einem Slum einfachster Form haust, lag vor 9 Monaten in ihrem eigenen Exkrementen im Bett, konnte sich kaum mehr bewegen und nur noch unter größter Anstrengung sprechen. Die Organisation begann die Frau mit Medikamenten und Geld für das Minimum an Essen für sie und ihre Tochter zu versorgen. Bereits nach drei Monaten stellten sich erste kleine Verbesserungen ein. Heute sitzt diese Frau wieder wie eine Eins in ihrer Hütte und kann diese wieder selbst in Schuss halten. Wenn ich es nicht gewusst hätte wäre ich nie auf die Idee gekommen dass diese Frau erkrankt ist. Leider hat Sie bis heute noch keinerlei Einkommensmöglichkeit und lebt mit ihrer Tochter von 75 Birr (7,50 Euro) im Monat, die sie von der Organisation bekommt. Wir konnten uns alle nicht vorstellen wie sie es schafft damit zu überleben, aber gemeinsam mit ihren Nachbarn und gegenseitiger Unterstützung schafft sie es!

Eines der perversesten Dinge ist, dass man von diesem Slum auf das örtliche Hilton Hotel mit allem westlichen Luxus blickt, dass nur ca. 500m entfernt ist. Ich scheitere daran, solch ein Gefälle in Worte zu fassen.

Klar dachten wir direkt daran der Frau Geld zu geben. Der Kollege wollte jedoch nicht ein Almosen geben welches sie einfach für Essen ausgibt in ein Paar Tagen bereits wieder aufgebraucht ist. Also begannen wir damit sie zu fragen wie sich vorstellen könnte sich selbst zu versorgen. Sie erzählte uns, dass sie früher immer Kaugummis, Taschentücher und Zigaretten am Büdchen gekauft hat und sich damit dann die komplette Nacht vor eine Bar gestellt hat um sie etwas teurer wieder zu verkaufen. Sie bräuchte aber 300 Birr (30 Euro) Startkapital, damit sie Großpackungen kaufen könnte. Nur dann würde dabei etwas hängen bleiben. Diese Frau ist sehr helle und konnte genau vorrechnen wie viel sie dann an einem Tag verdient, wie viel sie zum Leben braucht und dass sie ihre Kleidung (Sie hat ein T-Shirt, eine Hose und eine Jacke, die sie seit Jahren immer anhat und die auch entsprechend aussehen) in Ordnung bringen müsste, sonst würde ihr niemand etwas abkaufen.

Das war uns aber nicht genug und wir wollten ihr nicht einfach so 300 Birr geben. Also fragten wir sie weiter, was noch möglich wäre. Dann erzählte sie uns, dass sie sich vor einigen Wochen ein Huhn gekauft hätte und in ihrer Hütte gehalten hat. Dieses hat innerhalb weniger Wochen knapp 40 Eier gelegt. Diese hätten ihre Tochter und sie teilweise als Nahrung genutzt und verkauft. Leider ist das Huhn vor 2 Wochen gestorben. Sie packte eine Tüte aus, öffnete diese und darin lag das seit Tagen tote Huhn, da sie sich nicht davon trennen konnte, da es ihre Zukunft war und sie monatelang darauf gespart hatte. Ein Huhn kostet in Addis 20 Birr (2 Euro). Sie war der Meinung, dass sie mit 2-3 Hühnern genug Eier hätte um mit dem Verkauf sich teilweise finanzieren zu können.

Das alles überraschte mich unheimlich. In der Situation bin ich, wohl durch meine Vorurteile geprägt, direkt davon ausgegangen, dass diese Frau nicht besonders helle sei und sicher keine Ahnung, wie sie sich aus der Situation etwas befreien könnte. Aber nein, sie hat sich sehr wohl Gedanken gemacht und wusste sehr genau, was sie tun könnte. Das hörte sich für mich möglich an und wir verabredeten mit ihr, dass wir ihr nun 100 Birr geben und in zwei Wochen wiederkommen um zu kontrollieren, ob sie wirklich das umgesetzt hat, was sie geplant hat und nicht direkt auf dem Markt das Geld einmalig für Essen ausgegeben hat. Ich bin wirklich gespannt ob sie das Geld wirklich als Investition verwendet.

Wohnen

Heute ist es passiert – ich habe per Handschlag ein Haus gemietet. Als alter WG süchtiger habe ich natürlich auch hier in Addis nach einer WG gesucht. Bereits in der Vorbereitung in Bad Honnef hatte ich mit einer Mitausreisenden von der GTZ überlegt ob wir uns nicht ein Haus gemeinsam mieten. Nachdem Sie bereits einen Monat vor mir in Addis ankam hat sie sich auch gleich auf die Suche gemacht und direkt ein WG taugliches Haus gemietet. Leider war das Haus mitten im Diplomatenviertel und ich wollte lieber unter Äthiopiern leben statt separiert davon. Aber wir reden trotzdem noch miteinander ;) Auf jeden Fall habe ich ab Februar ein Haus mit riesigem Garten, Holzdielenboden und Kamin. Ok das Haus muss noch deutlich renoviert werden, aber einer meiner ehemaligen Vorgesetzten hatte den Leitspruch: „Schaue nicht nach den Problemen, schaue nach den Potentialen“ – und Vorgesetzte können manchmal ziemlich weise sein! Ich habe wahrscheinlich noch viel Kampf mit äthiopischen Handwerkern vor mir, aber immerhin habe ich bei den Verhandlungen mit dem Eigentümer einen Preis für dieses Haus in der Lage herausgeholt, der absolut gut ist (umgerechnet 350 Euro). Und ich habe momentan noch zwei Schlafzimmer frei. Das heißt, selbst wenn ich noch einen Mitbewohner mit rein nehme bleibt ein schönes Gästezimmer. Also kommt alle, kommt zahlreich, die ca. 15m hohen Palmen im Garten spenden schönen Schatten!

Über die Stadt, meinen Job und das Land bald mehr. Irgendwann auch mal mit Bildern! Es ist schön an Euch zu schreiben. Ich denke immer an euch, auch wenn hier jeden Tag unglaublich viel Neues passiert.