Ich komme nach Deutschland!
Irgendwie ist das in den letzten Tagen fuer mich Grund gewesen so ein erstes Resumee zu ziehen. Fuenf Monate Aethiopien, fuenf Monate nicht in Deutschland, seit acht Monaten arbeiten im EZ Umfeld. Ist es das was ich mir vorgestellt habe?
Ja und nein.
Ja ich habe mir gewuenscht einmal diese Auslandserfahrung zu machen und in einem Gebiet zu arbeiten, dass voellig neue Herausforderungen an mich stellt. Wobei ich mit meiner taeglichen Arbeit Anderen helfen kann. Und vor allen Dingen auch etwas mehr Ruhe und Muße in mein Leben zu bringen.
Und ich muss sagen: Das ist genauso eingetreten. Ich habe fuer mich persoenlich unheimlich wichtige Erfahrungen gesammelt und auch schon Einiges bewegen koennen. Das Arbeiten im EZ Kontext laesst mir im Vergleich zum Arbeitsalltag in der freien Wirtschaft viel mehr Zeit nachzudenken und mich selbst zu reflektieren. Ich bin viel ausgeglichener geworden und vor allen Dingen spruehe ich beinahe wieder vor Kreativitaet und Tatendrang, wie ich es seit Jahren nicht getan habe.
Aber das Ganze hat mich auch auf den Boden zurueckgeholt. EZ war immer mein Traum. Und wenn man Traeume lebt sehen sie in der Realitaet anders aus. Vieles relativiert sich.
Das Arbeiten in der EZ hat etwas "Ganzheitliches". Das heisst man kann der Sache nicht entrinnen. 24h 7 Tage die Woche ist man mit seinem Aufgabengebiet konfrontiert und auch im privaten Bereich trifft man staendig auf Armut und nicht zuletzt auf immer wieder seine Arbeitskollegen.
Und die Realitaet hier sieht so aus, dass man haeufig die Hoffnung auf fuehlbare Verbesserung verliert. Bei einem Bevoelkerungswachstum von jaehrlich mehr als 3% wird die Bevoelkerungszahl von heute 77 Mio sich bis in 20 Jahren auf mehr als 150 Mio verdoppeln. Und heute sind bereits keine Arbeitsplaetze vorhanden, ein grosser Teil der Bevoelkerung nicht in der Lage sich selbst zu versorgen. Wie soll das mit doppelt so vielen Menschen funktionieren?
Und ausserdem sehe ich ein grosses Problem: Die Unterstuetzung durch uns Entwicklungshelfer ist hier aufgrund von so vielen Geberstaaten, die sich hier tumeln ueberall praesent. Leider fuehrt das auch dazu, dass sich egal wo man hinschaut ueberall Äthiopier dazu erzogen wurden: Die Geber werden das schon machen. Ich druecke das jetzt absichtlich etwas ueberspitzt aus, aber das Fördern von Eigeninitiative ist das haeufig nicht.
Wie gesagt ich habe das jetzt ueberspitzt ausgedrueckt. Es gibt auch sehr sehr viele Gebiete, auf denen hier ein riesiges Potential fuer die Zukunft ruht. Und die sehe ich insbesondere in einer staerkeren Privatwirtschaft. Das ist einer der Dinge, die ich hier bisher schon fuer mich mitgenommen habe. Kapitalismus ist DER Katalysator fuer die Entstehung von Einkommen. Dieser muss eingebettet sein in einen starken Staat, der seine Buerger absichert. Aber ohne ihn, sehe ich hier keine Perspektive.
Deswegen bin ich auch sehr froh, dass es letzte Woche endgueltig mit meinem Jobwechsel geklappt hat. Voraussichtlich kurz nach meiner Rueckkehr aus Deutschland werde ich nicht mehr im regionalen Bildungsministerium sitzen, sondern im regionalen Wirtschaftsministerium. Dort werde ich sowohl Berater fuer die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fuer existierende Unternehmen und zukuenftige Investoren, als auch direkt Berater fuer einzelne Unternehmen sein. Wir werden versuchen fuer Äthiopien sinnvolle Wertschoepfungsketten zu definieren und zu analysieren. Ziel ist es die Flaschenhaelse zu identifizieren und zu verbreitern. Darin sehe ich eine grosse Chance fuer wirkliche Entwicklungsfortschritte und freue mich schon sehr auf diese Aufgabe. So jetzt ist aber auch wieder genug. Ich muss jetzt in die Heia. Ciao.